Rechtsanwalt Karl Engels Betäubungsmittel
Die "nicht geringe Menge" synthetischer Cathinone, psychostimulierender Phenethylamine, synthetischer Cannabinoide und von Benzodiazepinen

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat durch Beschluss vom 08.03.2022 (3 StR 136/21) entschieden:

Es beginnt die nicht geringe Menge

der synthetischen Cathinone

- ?-Pyrrolidinovalerophenon und
- 3,4-Methylendioxypyrovaleron jeweils bei fünf Gramm,

- Buphedron und
- Pentylon jeweils bei 15 Gramm,

- Clephedron und
- 4-Methylethcathinon jeweils bei 25 Gramm,

- Methylon bei 30 Gramm,

der psychostimulierenden Phenethylamine

- Ethylphenidat bei 15 Gramm,

- 4-Fluoramfetamin bei 20 Gramm,

der synthetischen Cannabinoide

- AM-2201,
- JWH-122 und
- JWH-210 jeweils bei einem Gramm

der Benzodiazepine

- Etizolam bei 240 Milligramm,

- Flubromazepam bei 600 Milligramm.


Beschlussgründe (auszugsweise):

a) Für die Bestimmung der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels gilt:

Der Grenzwert ist stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und -intensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs. Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials, zu bemessen. Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (st. Rspr.; s. zuletzt BGH, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 3 StR 155/21, juris Rn. 8 f. mwN).

b) Zur Wirkungsweise sowie zur Einstufung und Bestimmung der nicht geringen Menge der gehandelten Betäubungsmittel hat das Landgericht ein Gutachten des Sachverständigen Dr. Da., Apotheker für experimentelle Pharmakologie und Toxikologie beim Bundeskriminalamt, eingeholt. Dessen schriftliche Ausarbeitung hat es in seinen Urteilsgründen zwar lediglich kursorisch wiedergegeben. Auf deren Überprüfung ist der Senat bei der Beurteilung der Wirkungsweise und Gefährlichkeit von Betäubungsmitteln allerdings nicht beschränkt. Vielmehr kann er das von der Strafkammer eingeholte Gutachten auch direkt verwerten (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2007 - 1 StR 52/07, BGHSt 51, 318 Rn. 7) und darüber hinaus allgemein zugängliche Literatur heranziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 3 StR 245/95, BGHSt 42, 1, 3 ff.; Urteil vom 9. Oktober 1996 - 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255, 262 ff.).

c) Nach den dargelegten rechtlichen Maßstäben ist der Senat auf der Grundlage des Gutachtens und weiterführender Literatur (insb. Auwärter/Kneisel u.a., Rechtsmedizin 2012, 259; Bork/Dahlenburg u.a., Toxichem Krimtech 2019, 5 und 2021, 3; Geschwinde, Rauschdrogen, 8. Aufl.; Hess/Maas/Madea, Rechtsmedizin 2014, 291) in der Lage, den jeweiligen Grenzwert der nicht geringen Menge für die in Rede stehenden Betäubungsmittel festzulegen. Soweit die Substanzen eine anderen Wirkstoffen ähnliche Molekülstruktur aufweisen, ist eine vergleichende Betrachtung möglich. Falls zu den Betäubungsmitteln experimentell ermittelte pharmakologisch-toxikologische Daten vorliegen, zieht der Senat bei dem Vergleich diese Erkenntnisse heran. In wissenschaftlichen Abhandlungen aufbereitete Angaben von Abnehmern - etwa zu Konsummengen und zur Rauschintensität - werden ebenfalls vielfach der Bestimmung der nicht geringen Menge zugrunde gelegt. Im Einzelnen:

aa) MDPV, 4-MEC und Methylon, die durch die 26. BtMÄndVO vom 20. Juli 2012 als verkehrs-, aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel ebenso der Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtMG unterstellt wurden wie ?PVP und Buphedron durch die 27. BtMÄndVO vom 9. Juli 2013, gehören der Gruppe der synthetischen Cathinone an. Zu dieser gehören auch die als nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel der Anlage I zugewiesenen Wirkstoffe Pentylon (28. BtMÄndVO vom 5. Dezember 2014) und Clephedron (30. BtMÄndVO vom 11. November 2015).

(1) Nachdem es in Deutschland bereits in den 1980er und 1990er Jahren zu einem Missbrauch vollsynthetisch hergestellten Cathins und hiervon abgeleiteter Verbindungen wie Phenylpropanolamin (PPA) gekommen war, gelangte Anfang dieses Jahrhunderts die umfangreiche Wirkstoffgruppe der synthetischen Cathinone auf den illegalen Markt. Verbreitung fand sie, häufig in Kombination mit anderen psychotropen Stoffen, unter anderem in „Legal High"-Produkten, die als „recreational drugs“ über das Internet vertrieben wurden. Sie wurden teilweise als das „Ecstasy des 21. Jahrhunderts“ beworben und unter Bezeichnungen wie „Badesalz“ oder „Glasreiniger“, aber auch als „Chemikalien für wissenschaftliche Zwecke“ angepriesen.

(2) Die Wirkstoffe sind von der Grundstruktur des Cathinons abgeleitet, der primären psychoaktiven Substanz in den Blättern des Kathstrauchs, die in Teilen Ostafrikas und der arabischen Halbinsel als Rauschmittel Bedeutung haben. Dieser Gruppe gehören an

- die Methylendioxymethcathinone Methylon (3,4-MethylendioxyNmethcathinon, MDMC) - chemische Bezeichnung: 1-(Benzo[d][1,3]dioxol-5-yl)-2-(methylamino)propan-1-on

- und Pentylon (bkMBDP) - chemische Bezeichnung: 1-(1,3-Benzodioxol-5-yl)-2-(methylamino)pentan-1-on -,

- das Ethcathinon 16 17 4-MEC (4-Methylethcathinon) - chemische Bezeichnung: 2-(Ethylamino)-1-(4-methylphenyl)propan-1-on - sowie

- die Methcathinone Buphedron - chemische Bezeichnung: 2-(Methylamino)-1-phenylbutan-1-on

- und Clephedron (4-CMC) - chemische Bezeichnung: 1-(4-Chlorphenyl)-2-(methylamino)propan-1-on.

Wird in Cathinonstrukturen ein heterozyklischer Pyrrolidinoring anstelle des primären oder sekundären Amins eingefügt, führt dies zur Gruppe der Pyrrolidinophenone, der

- 3,4-Methylendioxypyrovaleron (MDPV) - chemische Bezeichnung: 1-(Benzo[d][1,3]dioxol-5-yl)-2-(pyrrolidin-1-yl)pentan-1-on - und

- ?Pyrrolidinovalerophenon (?PVP) - chemische Bezeichnung: 1-Phenyl-2-(pyrrolidin-1-yl)pentan-1-on - entstammen.

(3) In Reinform liegen synthetische Cathinone meist als weißes oder braunes, amorphes oder kristallines Pulver vor, das nasal aufgenommen („gesnifft“), pur geschluckt („bombing“) oder einem Getränk zugegeben wird. Anfangs wurden sie auch in Tabletten- oder Kapselform als „Ecstasy“ oder dessen Substitut angeboten; mittlerweile werden sie als eigenständige Gruppe von Rauschdrogen mit amfetaminähnlicher Wirkungskomponente konsumiert. Teilweise werden „Badesalz"-Kristalle auch aufgelöst und intravenös gespritzt. Zur inhalativen Aufnahme durch Rauchen sind sie dagegen kaum geeignet.

Synthetische Cathinone werden rasch resorbiert. Der Rausch erreicht bei oraler Einnahme sein Maximum nach eineinhalb Stunden und hält je nach Substanz zwischen zwei und acht Stunden an. Die Wirkstoffe greifen in das limbische System ein, einen Teil des Hirnes, der eine zentrale Bedeutung für die emotionale Bewertung von Erlebnis- und Gedächtnisinhalten sowie für die affektive Beeinflussung des Verhaltens hat.

Anwender berichten über Euphorie, Antriebssteigerung, Redseligkeit, Bewegungs- und Handlungsdrang, Stimmungsaufhellung, verringerte Feindseligkeit, klares Denken, sexuelle Stimulation und verstärkte Musikwahrnehmung. Unerwünschte Effekte sind Tachykardie, arterielle Hypertonie sowie Halluzinationen und Agitation. Psychotische Symptome bestehen oft aus Verfolgungswahn mit akustischen und visuellen Halluzinationen. Diese können bis zu vier Wochen andauern und verlaufen schwerer als etwa bei Amfetaminen. Die Intoxikation kann sich durch sympathomimetische Symptome, Delir oder als Serotoninsyndrom manifestieren. Patienten fallen durch Aggressivität, psychotische Symptome, Hyperthermie bis 41,5°C und/oder arterielle Hypertonie auf. Eine metabolische Azidose und erhöhte Kreatinkinase sowie eine Muskelschädigung bis hin zur Rhabdomyolyse können sich entwickeln. In schwersten Fällen kommt es zur disseminierten intravasalen Gerinnung und zum Multiorganversagen mit letalem Verlauf.

(4) Die Grenzwerte der nicht geringen Menge für MDPV und ?PVP sind mit jeweils 5 g, für Pentylon und Buphedron mit jeweils 15 g, für 4-MEC und Clephedron mit jeweils 25 g und für Methylon mit 30 g festzusetzen.

(a) Allerdings sind die Wirkungsintensitäten der synthetischen Cathinone trotz ihrer strukturellen Ähnlichkeiten vielfältig. Die Grenzwerte der nicht geringen Mengen können mangels pharmakologischer Erkenntnisse nicht aus äußerst gefährlichen bzw. Letaldosen beim Menschen abgeleitet werden.

Heranzuziehen sind vielmehr die Angaben von Konsumenten zu den für ein Rauscherlebnis erforderlichen Mengen und zur Rauschintensität sowie Informationen über schwere Intoxikationen und Todesfälle infolge des Konsums, da hieraus auf die Potenz der Substanzen geschlossen werden kann. Überdies sind - soweit vorhanden - experimentell ermittelte pharmakologisch-toxikologische Daten zur biologischen Wirkung zu berücksichtigen.

(b) Die Grenzwerte von 15 g für Pentylon und Buphedron ergeben sich vor diesem Hintergrund aus einem Vergleich mit Pentedron, einem weiteren synthetischen Cathinon, dessen Grenzwert bereits auf 15 g festgesetzt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 1 StR 366/16, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Menge 23 Rn. 8).

Zu allen drei Stoffen werden nämlich ähnliche mittlere Konsummengen berichtet (Pentedron: 8 bis 15 mg; Pentylon: 20 bis 40 mg; Buphedron: 30 bis 50 mg). Auch pharmakodynamische Erkenntnisse stützen diese Festsetzung; insbesondere binden alle drei Substanzen mit ähnlicher Affinität an den Dopamin- und den Noradrenalin-Rezeptor. Dass bisher lediglich im Zusammenhang mit Pentedron einige Vergiftungen und Todesfälle bekannt wurden, steht dem nicht entgegen.

(c) Die deutlich höhere dopaminerge Wirkungsintensität von MDPV und ?PVP rechtfertigt es bereits, deren Grenzwert auf niedrigere 5 g festzusetzen.

Zwar wird - bei insgesamt breiterer Streuung - nur teilweise von geringeren mittleren Konsummengen berichtet (MDPV: 5 bis 20 mg; ?PVP: 5 bis 25 mg). Allerdings wurden viele Vergiftungen und Todesfälle in Zusammenhang mit dem Konsum dieser Betäubungsmittel gebracht, was ihre höhere Potenz - verglichen mit Pentedron, Pentylon oder Buphedron - unterstreicht.

(d) Die Grenzwerte für Clephedron und 4-MEC belaufen sich schließlich auf 25 g und derjenige für Methylon auf 30 g, da die mittlere Konsummenge bei diesen Stoffen (deutlich) höher liegt.

bb) 4-Fluoramfetamin (4-FA), durch die 26. BtMÄndVO vom 20. Juli 2012 als nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG unterstellt, und Ethylphenidat, durch die 27. BtMÄndVO vom 9. Juli 2013 als verkehrs-, aber nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel der Anlage II zu § 1Abs. 1 BtMG zugewiesen, gehören zur Gruppe der psychostimulierenden Phenethylamine, deren wichtigster Vertreter das Amfetamin ist.

(1) 4-Fluoramfetamin (4-FA) - chemische Bezeichnung: (RS)-1-(4-Fluorphenyl)propan-2-amin - weist bei sonst gleicher Strukturformel wie Amfetamin ein zusätzliches Fluoratom am Phenylring auf. Dieses für alle Substanzen der Gruppe der Fluorphenalkylamine typische Atom erhöht deren Fähigkeit, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren. Wie die übrigen nichttherapeutischen Amfetamine erlangte 4-Fluoramfetamin einen Stellenwert erst mit zunehmendem Vertrieb über das Internet ab Beginn dieses Jahrhunderts.

Ethylphenidat - chemische Bezeichnung: Ethyl[2-(phenyl)-2-(piperidin-2-yl)acetat] - gelangte in Deutschland 2012 auf den illegalen Markt und gehört zu den Pipradolderivaten. Es handelt sich dabei um ein Homolog des Methylphenidat, welches als Arzneistoff gegen ADHS genutzt wird. Ethylphenidat selbst wird demgegenüber nicht therapeutisch verwendet.

(2) Die amfetaminartigen Substanzen greifen, vergleichbar den Cathinonen, in das limbische System ein. Teilweise verursachen sie eine gesteigerte Freisetzung von Catecholaminen, teilweise hemmen sie deren Wiederaufnahme, teilweise wirken sie auf beide Arten. In jedem Fall regen sie den sympathischen Teil des autonomen Nervensystems an, dessen Aufgabe es ist, die Fähigkeit zur Arbeitsleistung und zur Auseinandersetzung mit der Umwelt zu erhöhen, indem Herz, Kreislauf und Atmung aktiviert werden sowie Glykogen mobilisiert wird, wohingegen es die Tätigkeiten des Magen-Darm-Trakts vermindert.

Infolgedessen fühlen sich die Konsumenten überwach, leistungsstark und selbstsicher; sie können über viele Stunden arbeiten oder feiern und tanzen, ohne zu ermüden. Regelmäßig sind sie euphorisiert, manchmal aber auch gereizt und im Verhalten expansiv, so dass es zu aggressiven Entgleisungen kommt. Überdies führen die Substanzen zu einem subjektiven Erleben der Zeitverkürzung (Zeitraffergefühl) und haben eine appetithemmende Wirkung.

Als Komplikationen treten auch bei üblichen Dosierungen atypische oder psychotische Rauschverläufe mit ängstlichem Misstrauen, Agitiertheit, Missempfindungen an der Haut („Wanzen“) und Beeinträchtigungs- bzw. Verfolgungserleben („speed paranoia“) auf; diese Folgen halten entsprechend der pharmakologischen Wirkdauer der jeweiligen Substanz über mehrere Stunden an. Kommt es zu amfetamininduzierten Psychosen, so dauern diese über mehrere Tage bis Wochen und gehen damit deutlich über die pharmakologische Wirkung der Stoffe hinaus; sie ähneln phänomenologisch einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie mit Verfolgungswahn.

(3) Letale Dosen sind weder bei 4-Fluoramfetamin noch bei Ethylphenidat hinreichend gesichert bekannt. Werden diese Substanzen allerdings mit Amfetamin verglichen, bei dem der Grenzwert der nicht geringen Menge 10 g beträgt (vgl. BGH, Urteil vom 11. April 1985 - 1 StR 507/84), BGHSt 33, 169, so ist derjenige von Ethylphenidat mit 15 g und derjenige von 4-Fluoramfetamin mit 20 g festzulegen.

(a) Ethylphenidat gleicht von seiner Wirkungsstärke nach Konsumentenangaben dem Methylphenidat. Dieses wiederum ist in etwa so wirkungsstark wie Levamfetamin, das linksdrehende Stereoisomer des Amfetamins, und schwächer als das rechtsdrehende Dexamfetamin.

Da die beiden Enantiomere zu gleichen Teilen in handelsüblichem Amfetamin enthalten sind und Dexamfetamin doppelt so wirksam wie Levamfetamin ist, ist Dexamfetamin rechnerisch um das 1,33-fache wirksamer als Amfetamin, sodass 7,5 g Dexamfetamin die Wirkung von 10 g Amfetamin haben (7,5 g = 10 g / 1,33). Dieselbe Wirkung haben dann 15 g Levamfetamin ebenso wie 15 g Methylphenidat und 15 g Ethylphenidat, woraus sich der Grenzwert für die letztgenannte Substanz ergibt.

(b) Die nicht geringe Menge bei 4-Fluoramfetamin ist mit 20 g die zweifache derjenigen von Amfetamin, weil bei diesem von mittleren Rauschdosierungen zwischen 15 und 65 mg berichtet wird, während die Dosen bei 4-Fluoramfetamin mit 50 bis 130 mg etwa doppelt so hoch sind.

cc) AM-2201, JWH-122 und JWH-210 sind synthetische Cannabinoide, die als verkehrs-, aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel der Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtMG unterstellt wurden, JWH-122 sowie JWH-210 durch die 26. BtMÄndVO vom 20. Juli 2012 und AM-2201 durch die 27. BtMÄndVO vom 9. Juli 2013.

(1) Seit etwa 2005 erschienen „nichtklassische“ vollsynthetische Cannabinoide als „Legal High"-Produkte auf dem Markt. Angeboten wurden unter der Bezeichnung „Spice“ (engl. „Gewürz“) teeartige „herbal blends“ bzw. „Kräutermischungen“ in Internet-Onlineshops sowie offline in „head and grow shops“. Vorgetäuscht wurde, dass es sich um getrocknete und aromatisierte Pflanzen und Kräuter zu „Räucherzwecken“ handele; tatsächlich erwarben Abnehmer sie gezielt als Cannabissubstitut und konsumierten sie ihrer Rauschwirkung wegen. Charakteristisch ist die ungleichmäßige Verteilung der synthetischen Cannabinoide innerhalb der pflanzlichen Trägermasse. Auch die Wirkstoffkonzentration ist großen Schwankungen unterworfen. Anfänglich war der in den „Kräutermischungen“ enthaltene Hauptwirkstoff regelmäßig CP47,497-C8, das eine strukturelle Ähnlichkeit mit dem Cannabiswirkstoff ?9-THC (im Folgenden: THC) aufweist. Nachdem dieser und andere Wirkstoffe der „Spice"-Produkte erster Generation dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt worden waren, fanden sich in späteren Generationen immer neue Substanzen. Bedeutsam sind insbesondere drei Gruppen von Aminoalkylindolen: die Phenacetylindole, die Benzoylindole und die Naphtoylindole.

(2) Wirkstoffe aus der Gruppe der Naphtoylindole, die keine strukturelle Ähnlichkeit mit dem THC mehr aufweisen, sind

- AM-2201 - chemische Bezeichnung: [1-(5-Fluorphentyl)-1Hindol-3-yl](naphtalin-1-yl)methanon -,

- JWH-122 - chemische Bezeichnung: (4-Methylnaphthalin-1-yl)(1-pentyl-1Hindol-3-yl)methanon - und

- JWH-210 - chemische Bezeichnung: (4-Ethylnaphtalin-1-yl)(1-pentyl-1Hindol-3-yl)methanon.

AM-2201 gehört zu den synthetischen Cannabinoiden aus der AM-Serie, die erstmals von dem Chemiker Alexandros Makriyannis an der Northeastern University in Boston (Massachusetts) hergestellt wurden. Bei dieser Substanz sind eine hohe Toleranzentwicklung und eine damit verbundene Dosissteigerung zu beobachten. Bei den JWH-Produkten handelt es sich um synthetische Cannabinoide, die John W. Hufmann von der Clemson University (South Carolina) seit 1989 zur medizinischen Behandlung von Schmerz- und Krebspatienten erforschte.

(3) Das in Cannabispflanzen enthaltenen THC entfaltet seine Rauschwirkung über das körpereigene Endocannabinoidsystem. Dieses besteht aus körpereigenen Cannabinoiden (sogenannten Endocannabinoiden), Rezeptoren, an die diese binden können (sogenannten Cannabinoidrezeptoren), und Mechanismen zur Signalweiterleitung. Bisher wurden zwei Typen von Cannabinoidrezeptoren identifiziert: CB1, der in hoher Dichte in Gehirn und Rückenmark vorhanden ist, und CB2, der vor allem in der Milz und an Zellen des Immunsystems vorkommt. Das Endocannabinoidsystem beeinflusst eine große Breite physiologischer Prozesse. Es ist an zahlreichen Vorgängen der Homöostase beteiligt, also der Aufrechterhaltung eines stabilen inneren Milieus im Körper trotz sich verändernder innerer und äußerer Bedingungen, etwa durch Regulierung des Blutdrucks. Werden die das Zentralnervensystem beeinflussenden CB1-Rezeptoren aktiviert, vermindern diese insbesondere die Ausschüttung mehrerer Neurotransmitter.

Trotz ihrer von THC abweichenden Strukturen wirken AM-2201, JWH-122 und JWH-210 sowie andere Naphtoylindole ebenfalls an den Cannabinoidrezeptoren. Dabei binden viele synthetische Cannabinoide - auch die hier in Rede stehenden - im Vergleich zu THC stärker am CB1-Rezeptor. Da diese sogenannte Bindungsaffinität und die zur Erzeugung einer (Neben-)Wirkung erforderliche Dosis miteinander korrelieren, lässt sich hieraus schließen, dass diese Substanzen potenter wirken als THC.

Wie bei Cannabis treten infolge des Konsums synthetischer Cannabinoide trockene Schleimhäute sowie grob- und feinmotorische Störungen auf. Hinzu kommen neben Mydriasis mit Bindehautrötungen und vermindertem Tränenfluss eine Veränderung des Appetits und der Thermoregulation sowie Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System.

Von Konsumenten synthetischer Cannabinoide angestrebte, dem Cannabis vergleichbare Wirkungen sind Entspannung, Euphorisierung und leichte „Bewusstseinserweiterung“. Hinzu kommt ein Nachlassen der Konzentration, der Aufmerksamkeit und (gelegentlich) des Schamgefühls. Infolge hoher Dosierungen treten aber auch Nebenwirkungen wie ausgeprägte Depersonalisations-/Derealisationserscheinungen und psychotische Rauschverläufe mit Halluzinationen, Verwirrtheit und wahnhaften Situationsverkennungen auf. Auch wird eine deutliche Ablenkbarkeit, eine Zunahme perseverativer Fehler und Einschränkungen von Arbeitsgedächtnis, Merkfähigkeit und Lernleistung beschrieben.

Bei synthetischen Cannabinoiden besteht infolge ihrer - im Vergleich mit THC - größeren Potenz ein höheres Risiko zur Überstimulation und damit einhergehender Nebenwirkungen (s. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 3 StR 155/21, juris Rn. 16). Ihre Rauschwirkung ist deutlich unvorhersehbarer und vielfältiger. Auch traten nach der Einnahme Intoxikationserscheinungen auf, die bei biogenem Cannabis untypisch sind, namentlich starke Unruhe, Übelkeit, langanhaltendes und heftiges Erbrechen, Bewusstlosigkeit, Herzrhythmusstörungen, Krampfanfälle sowie Kreislaufkollaps.

(4) Der Grenzwert der nicht geringen Menge ist bei AM-2201 ebenso wie bei JWH-122 und JWH-210 auf 1 g festzusetzen.

(a) Trotz der vorerwähnten, teils lebensbedrohlichen Konsumfolgen und der Todesfälle, mit denen diese Substanzen bereits in Verbindung gebracht werden konnten, waren eine äußerst gefährliche oder eine Letaldosis für sie bisher ebenfalls nicht sicher zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 3 StR 155/21, juris Rn. 12).

(b) Von den hier in Rede stehenden synthetischen Cannabinoiden liegt lediglich bei AM-2201 eine gerade noch akzeptable Datenlage zur durchschnittlichen Konsumeinheit vor, die mit 0,5 bis 1 mg angegeben wird. Vergleicht man diese mit den mittleren Konsummengen anderer synthetischer Cannabinoide, bei denen die nicht geringe Menge bereits festgesetzt ist, namentlich

- JWH-018 (mittlere Konsummenge: 2 bis 3 mg, nicht geringe Menge: 2 g; vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2015 - 1 StR 302/13, BGHSt 60, 134),

- JWH-073 (mittlere Konsummenge: 5 bis 10 mg, nicht geringe Menge: 6 g; vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2015 - 1 StR 302/13, BGHSt 60, 134),

- ABCHMINACA (mittlere Konsummenge: 0,1 bis 0,5 mg, nicht geringe Menge: 1 g; vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2017 - 1 StR 64/17, juris Rn. 39 f.),

- 5FADB (mittlere Konsummenge: 0,02 bis 0,2 mg, nicht geringe Menge: 1 g; vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 3 StR 155/21, juris Rn. 7 ff.) sowie

- AMBFUBINACA (mittlere Konsummenge: 0,12 bis 0,2 mg, nicht geringe Menge: 1 g; vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 3 StR 155/21, juris Rn. 7 ff.),

so rechtfertigt bereits dies die Festsetzung des Grenzwertes auf 1 g.

(c) Die Festsetzungen stehen im Einklang mit experimentell ermittelten pharmakodynamischen Daten. Neben der Dosis und der Applikationsform wird die Wirkung eines Cannabimimetikums wesentlich durch dessen Molekülstruktur bedingt. Eine cannabimimetische Wirkung verlangt die kausale Verknüpfung zwischen der Stoffzufuhr und einer Änderung im biologischen System und tritt ein, weil sich die Cannabimimetika spezifisch an biochemische Strukturen der Zielzellen - die CB1- und CB2-Rezeptoren - binden. Unter der plausiblen Annahme, dass die Bildungen der Cannabimimetika-CB-Rezeptor-Komplexe dem Massenwirkungsgesetz gehorchen, stellt die Bindungskonstante Ki ein Maß für die Affinität eines Cannabimimetikums zu den beiden CB-Rezeptoren dar: Je größer deren Affinität zu den CB-Rezeptoren ist, umso kleiner sind die Ki-Werte. Hierbei muss bedacht werden, dass der Ki-Wert allein in der Regel nur bedingt aussagekräftig ist, da die Affinität zu einem CB-Rezeptor lediglich ein Maß für die Bindungsstärke darstellt und nichts über das tatsächliche Wirkungsprofil des Cannabimimetikums aussagen kann. Es zeigt sich vielmehr erst in einem objektivierbaren biologischen Effekt. Um die psychoaktive Effektivität eines Cannabimimetikums zuverlässiger zu bewerten, können daher weitere Deskriptoren wie der EC50-Wert (mittlere effektive Stoffmengenkonzentration eines Agonisten) herangezogen werden. Insgesamt eingeschränkt wird die Aussagekraft derartiger Daten insofern, als Forschungsgruppen zu ihrer Bestimmung in der Regel nichtnormierte Versuchsanordnungen benutzen. Infolgedessen sind nur diejenigen Werte uneingeschränkt miteinander vergleichbar, die unter gleichen Bedingungen gewonnen wurden (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 3 StR 155/21, juris Rn. 17 ff.).

Hiernach ist festzustellen, dass die CB1-Rezeptorbindungsaffinität (Ki) von AM-2201 mit 1,0 nM (vgl. zu den Bindungsaffinitäten hier und im Folgenden: Auwärter/Kneisel u.a., Rechtsmedizin 2012, 259, 263; Bork/Dahlenburg u.a., Toxichem Krimtech 2021, 3, 16) deutlich höher ist als die von JWH-018 (Ki = 9 ± 5 nM), von JWH-073 (Ki = 8,9 ± 1,8 nM) oder von THC (Ki = 40,7 ± 1,7 nM), dessen nicht geringe Menge sich auf 7,5 g bemisst (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 - 3 StR 183/84), BGHSt 33, 8. Überdies ermittelte eine Forschungsgruppe um Banister u.a. für AM-2201 einen EC50-Wert von 38 nM, der deutlich unter denen von JWH-018 (EC50 = 102 nM) oder von THC (EC50 = 250 nM) liegt.

(5) Im Unterschied zu AM-2201 fehlen bei JWH-122 und JWH-210 zwar wissenschaftlich gesicherte Daten zum Konsumverhalten.

Die Festsetzung des Grenzwertes auf 1 g ist allerdings dadurch gerechtfertigt, dass beide Substanzen eine ähnliche CB1-Rezeptorbindungsaffinität aufweisen wie AM-2201 (JWH-122: Ki = 0,69 nM; JWH-210: Ki = 0,46 nM). Eine Forschungsgruppe um Gurney u.a. ermittelte für diese Stoffe überdies ähnliche EC50-Werte (AM-2201: EC50 = 24,4 nM; JWH-122: EC50 = 32,9 nM; JWH-210: EC50 = 20,4 nM). Auch die CB1-Rezeptorbindungsaffinitäten von ABCHMINACA und AMBFUBINACA, deren Grenzwerte ebenfalls bei 1 g liegen (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2017 - 1 StR 64/17, juris Rn. 39 f.; Beschluss vom 27. Januar 2022 - 3 StR 155/21, juris Rn. 7 ff.), bewegen sich in ähnlichen Größenordnungen wie die von JWH-122 und JWH-210 (ABCHMINACA: Ki zwischen 0,59 bis 1,72 nM; AMBFUBINACA: Ki = 0,387 nM), was die hier getroffene Festsetzung zusätzlich stützt.

dd) Flubromazepam - chemische Bezeichnung: 7-Brom-5-(2-fluorphenyl-) 1,3-dihydro-2H-1,4-benzodiazepin-2-on - gehört zu den 1,4-Benzodiazepinen und wurde durch die 30. BtMÄndVO vom 11. November 2015 als verkehrs-, aber nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel der Anlage II zu § 1Abs. 1 BtMG unterstellt.

Etizolam - chemische Bezeichnung: 4-(2-Chlorphenyl)-2-ethyl-9-methyl-6Hthieno[3,2-f][1,2,4]triazolo[4,3-1][1,4]diazepin - entstammt demgegenüber der Klasse der Thienodiazepine, die eine ähnliche Molekülstruktur aufweisen wie die 1,4-Benzodiazepine. Jedoch ist bei diesen statt eines Benzolrings ein Thiophenring an den Diazepinring angefügt. Etizolam wurde durch die 27. BtMÄndVO vom 9. Juli 2013 als verkehrs- und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel der Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG unterstellt.

(1) Ursprünglich wurden nur die vom 1,4-Benzodiazepin-Grundgerüst abgeleiteten Substanzen unter dem Begriff Benzodiazepine zusammengefasst. Aufgrund ihrer Wirkung als Agonisten der Benzodiazepinbindungsstelle des GABAA-Rezeptors hat sich diese Bezeichnung in den pharmakologischen Lehrbüchern später allerdings für die ganze pharmakologische Substanzgruppe durchgesetzt, zu der unter anderem auch die 1,4-Thienodiazepine gehören.

(2) Substanzen aus der Gruppe der Benzodiazepine werden verbreitet als zugelassene Arzneimittel mit medizinischer Indikation eingesetzt. Sie bilden die wichtigste Wirkstoffgruppe der sogenannten Tranquilizer.

Benzodiazepine und analoge Verbindungen, also auch Flubromazepam und Etizolam, wirken an den GABAA-Rezeptoren, die im gesamten Zentralnervensystem vorhanden sind. Sie steigern die Bindungsfähigkeit der GABA (Gamma-Aminobuttersäure) zu ihren Rezeptoren, wodurch sie deren Wirkung verstärken mit der Folge einer verminderten Erregbarkeit der Neuronen.

Benzodiazepine wirken beruhigend, schlaffördernd bis schlaferzwingend, angstlösend, muskelentspannend und teilweise auch krampflösend. Infolge von Überdosierungen kommt es zu Sprach-, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen sowie Benommenheit und Apathie, aber auch Enthemmung. Intoxikationen können durch unangemessenes sexuelles oder aggressives Verhalten, Stimmungslabilität, ein beeinträchtigtes Urteilsvermögen oder eine eingeschränkte soziale oder berufliche Funktionsfähigkeit gekennzeichnet sein.

Als Medikament sollen Benzodiazepine regelmäßig nicht länger als vier Wochen, höchstens aber acht Wochen verordnet werden, da ein Dauerkonsum Gewöhnungserscheinungen zur Folge hat. Schon nach ca. vier Wochen stellt sich aufgrund gegenregulatorischer Mechanismen häufig ein Wirkungsverlust ein, der unter anderem die beruhigenden und psychomotorischen Benzodiazepineffekte betrifft; gegebenenfalls ist auch die angstlösende Wirkung nicht mehr gegeben. Gereiztheit und Schlafstörungen stellen sich nach und nach ein. Depressionen können verstärkt werden.

(3) Der Grenzwert der nicht geringen Menge von Etizolam ist auf 240 mg und derjenige von Flubromazepam auf 600 mg festzusetzen.

(a) Bei der Festlegung der Grenzwerte der nicht geringen Mengen von Etizolam und Flubromazepan kann ebenso wenig auf gesicherte Erkenntnisse zu einer äußerst gefährlichen oder gar tödlichen Dosis zurückgegriffen werden, schon wegen der relativ geringen Toxizität von Benzodiazepinen (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2010 - 1 StR 581/09, BGHSt 56, 52 Rn. 35).

(b) Obwohl Benzodiazepine eine gewisse euphorisierende Wirkung haben, bleibt bei ihnen ein typischer Rauschzustand aus, wie er zum Beispiel mit dem Konsum von sogenannten harten Drogen wie etwa Heroin einhergeht. Wegen dieser Besonderheit kann die für die Bestimmung der nicht geringen Menge erforderliche Konsumeinheit auch nicht anhand der adäquaten Dosis zur Erzielung einer stofftypischen Rauschwirkung ermittelt werden (vgl. BGH, Urteile vom 24. April 2007 - 1 StR 52/07, BGHSt 51, 318 Rn. 14 f.; vom 2. November 2010 - 1 StR 581/09, BGHSt 56, 52 Rn. 36).

(c) Zur Grenzwertfestlegung ist bei Benzodiazepinen vielmehr - in einem ersten Schritt - der regelmäßige Tagesbedarf eines durchschnittlichen Konsumenten in den Blick zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2010 - 1 StR 581/09, BGHSt 56, 52 Rn. 36).

Um die Gefahr der Abhängigkeit zu verringern, dürfen Benzodiazepine - wie ausgeführt - nicht länger als acht Wochen eingenommen werden. Wird dieser Zeitraum überschritten, liegt die Gefahr eines Missbrauchs nahe. Dieser Zeitraum ist bei der Bestimmung der nicht geringen Menge in den Blick zu nehmen, weshalb sich der Grenzwert errechnet, indem - in einem zweiten Schritt - der regelmäßige Tagesbedarf eines Konsumenten mit der Zahl 60 (für einen acht Wochen sogar noch geringfügig übersteigenden Zeitraum von 60 Tagen) zu multiplizieren ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2010 - 1 StR 581/09, BGHSt 56, 52 Rn. 48).

(aa) Im Vergleich mit Diazepam, dessen (noch) üblicher Tagesbedarf 40 mg beträgt (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2010 - 1 StR 581/09, BGHSt 56, 52 Rn. 37), wird Etizolam als bis zu zehnfach potenter beschrieben. Hieraus ergibt sich bei Etizolam ein (noch) üblicher Tagesbedarf von 4 mg, woraus sich der Grenzwert von 240 mg errechnet (240 mg = 4 mg x 60 Tage). Dass in Ländern, in denen Etizolam medizinisch genutzt wird, klinische Dosen 0,5 bis 2 mg, höchstens 3 mg pro Tag betragen, stützt die hier getroffene Festsetzung zusätzlich.

(bb) Zwar wird Flubromazepam medizinisch nicht eingesetzt, so dass keine Daten zu üblichen klinischen Dosen vorliegen. Doch beschreiben Konsumenten einen normalen Effekt bei Mengen zwischen 3 und 8 mg. Hieraus lässt sich ein (noch) üblicher Tagesbedarf von 10 mg Flubromazepam ableiten, woraus sich der Grenzwert von 600 mg errechnet (600 mg = 10 mg x 60 Tage).


HRRS 2022 Nr. 549